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AutorenbildPhilipp Kessler

Wie Du Dir selbst vergeben kannst

Aktualisiert: 17. Dez. 2020

Der Zank der Schwestern

Kürzlich wollte meine jüngere Tochter die Kleider meiner älteren Tochter anziehen, da sie ihr das am Vortag noch erlaubt hatte. An diesem Tag war meine ältere Tochter aber davon gar nicht mehr begeistert und so nimmt sie ihrer kleinen Schwester die Kleider weg. Es kam, wie es kommen musste und ein Streit brach aus. Es wurde geschimpft und geweint und es dauerte eine Weile, bis sich alle wieder beruhigt hatten.


Der Rauch legt sich

Auch ich brauchte eine Weile, bis ich die Aufregung, die durch den Zank entstanden war, wieder einigermassen abgebaut hatte. Schliesslich konnten wir wieder vernünftig miteinander reden, und ich war entschlossen, herauszufinden, weshalb meine ältere Tochter so reagiert hatte und ihre Kleider nicht mehr mit ihrer Schwester teilen wollte. Das Teilen war für meine Erstgeborene immer etwas schwierig – doch hin und wieder funktionierte es auch. So setzte ich mich mit ihr hin. Und so begann wohl das tiefste und bedeutungsvollste Gespräch mit ihr, das mir wahrlich die Augen öffnete.


Das wichtigste Gespräch

Ich frage sie, weshalb sie so einen Besitzanspruch habe. Es kam keine Antwort. «Was denkst Du, woher diese Verlustängste kommen», fragte ich sie weiter. Sie zuckt mit den Schultern: «Ich weiss nicht Papa, bin ich krank?» Ich entgegne ihr: «Nein, aber wovor hast Du solche Angst?» Dann kommt es aus ihr heraus. «Was wenn wir kein Geld mehr haben und dann nicht mehr hier wohnen können? Wenn wir nichts mehr zu essen kaufen können, werden wir sterben», meinte sie weiter. Ich erklärte ihr daraufhin, dass es eine Arbeitslosenversicherung und eine Sozialhilfe gebe und dass niemand verhungern müsse, wenn im Falle eines Jobverlusts kein Lohneinkommen mehr da ist.

Das wichtigste Gespräch

Ich hatte schon früher eine dunkle Vorahnung. Doch als ich ihr das erklärte, kristallisierte es sich nun deutlich heraus und fiel mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Als ich zum ersten Mal Vater wurde, war ich, wie vermutlich viele junge Väter, erheblich überfordert. Ich war nun für ein hilfloses Kind verantwortlich und mir wurde klar, dass mein Lohneinkommen ein existenzieller Faktor im Wohlergehen und der unbeschwerten Kindheit meiner Tochter sein würde. Das hat mich in eine komplette Existenzangst getrieben. Die Themen Jobverlust, Geld und Familienunterhalt dominierten meinen Verstand so stark, dass für kaum etwas anderes mehr Platz war. Mein Denken und mein Handeln waren fast vollständig blockiert. Und obwohl ich versuchte, dies nicht zu zeigen, war ich für meine Tochter in ihrem Unterbewusstsein ein offenes Buch. Sie hat meine Existenzängste gespürt. Und sie hat wahrgenommen, dass sie selbst der Auslöser dafür war. Dadurch habe ich sie geprägt und die Ängste in ihr verursacht. Ich vermute, dass sie sich negative Glaubenssätze angeeignet hat wie «die Welt ist gefährlich» oder «ich kann jederzeit alles verlieren». Und als Schutzstrategie verteidigt sie nun vehement alles, was sie als ihren Besitz ansieht.


Als ich das realisierte, kamen mir die Tränen. Ich fühlte mich schuldig und war wütend auf mich selbst. Ich entschuldigte mich bei ihr für das Leid und die negativen Gefühle, die ich bei ihr verursacht hatte. Daraufhin hielt sie mir erneut den Spiegel vors Gesicht. Sie sagte, sie habe Angst, dass Mama und Papa plötzlich nicht mehr da oder tot sind. Diese Angst, so bin ich überzeugt, habe ich auch in ihr geprägt. Als ich mich im Überlebensmodus befand, war ich permanent überfordert. Mein negativer Glaubenssatz «Ich werde nicht ernst genommen» verbunden mit der Schutzstrategie «Flucht» waren in dieser Zeit sehr ausgeprägt. Manchmal überkamen mich Gedanken und Gefühle, alles hinzuschmeissen und mich aus dem Staub zu machen. Das hat meine Tochter auch gespürt und diese Verlustangst von mir gelernt. Ich entschuldigte mich wieder bei ihr und versicherte ihr, dass sie nichts falsch gemacht habe.


Verantwortung übernehmen

Das war emotional sehr aufwühlend für mich. Ein erster Impuls nach diesem Gespräch war die Selbstverurteilung. Und prompt kommen die Gedanken: «Wie konnte ich nur so etwas zulassen? Ich bin ein schlechter Mensch. Ich bin unwürdig» und so weiter. Ich entschied mich bewusst dazu, diesen Impuls loszulassen. Denn an diesen Gedanken festzuhalten ist ein Schutzmechanismus, um sich selbst in eine Opferrolle zu begeben und sich der Verantwortung über das eigene Handeln zu entziehen. Das ist aus meiner heutigen Sicht abwertend dem Menschen gegenüber, dem man Unrecht angetan hat.

Verantwortung übernehmen

Stattdessen entschied ich mich dafür, voll anzunehmen und zu akzeptieren, was passiert war. Nun, da alles ausgesprochen und glasklar vor meinen Augen war, war ich bereit, mir selbst zu verzeihen. Ich hatte es damals so gut gemacht, wie es mir möglich war. Es ist ein Teil meiner Vergangenheit, aber es soll nicht weiter meine Gegenwart und Zukunft beeinflussen. Ich entschied, ein besserer Vater für meine Tochter zu sein. Dadurch, dass ich mir selbst vergeben hatte, wurde dies überhaupt erst möglich.


Wie Du Dir vergeben kannst

Das Allerwichtigste ist, dass Du lernst, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, sie ist vorbei. Das einzige was Du ändern kannst, ist Deine Einstellung dazu. Wenn Du den Schmerz oder die Schuld aus der Vergangenheit immer wieder in die Gegenwart holst, leidest Du in der Gegenwart weiter. An dieser Stelle möchte ich ein inspirierendes Zitat wiedergeben, dass ich bei Laura Malina Seiler entdeckt habe:


Zu vergeben bedeutet, jede Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufzugeben und sich dafür eine erfüllte Zukunft zu schenken.

Erst dadurch, dass Du die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit loslässt, kannst Du Dich vom Schmerz und der Schuld im Hier und Jetzt befreien. Dadurch öffnest Du die Tür in eine erfüllte Zukunft.


Verbrenne die Liste

Verbrenne die Liste

Nimm Dir ein Blatt Papier und beginne zu schreiben. Schreibe Dir alle Sachen aus Deiner Vergangenheit auf, für die Du heute noch Schuldgefühle und Schmerz empfindest. Wenn Du die Liste fertig hast, schau sie Dir nochmal genau an, dann verbrenne sie. Aber bitte an einem sicheren Ort. Feiere diesen Moment und sage laut zu Dir: «Ich gebe hiermit jede Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit auf». Es gibt dazu ein schönes kleines Ritual, auch wieder von Laura Malina Seiler, das sich an dem Hawaiianischen Vergebungsritual Ho’oponopono orientiert. Sprich dazu die folgenden Sätze innerlich oder noch besser laut zu Dir:

  • Es tut mir leid.

  • Bitte vergib mir.

  • Ich liebe dich.

  • Danke.

Schliesse Deine Augen und fühle in Dich hinein. Wie fühlt sich das an? Spürst Du die Erleichterung? Du hast eben das schwere Gepäck abgestellt und darfst ohne Gepäck weiterreisen. Denn war das Gepäck nicht in erster Linie dazu da, es auszupacken, um allen zu zeigen, wie schwer Du es hast? Wenn Du merkst, dass Du wieder in alte Muster zurückfällst, dann wiederhole das gesamte Ritual. Du wirst sehen, Deine Liste wird jedes Mal kürzer bis es irgendwann nichts mehr aufzuschreiben gibt.


Programmiere Dein Unterbewusstsein

Ein weiteres hilfreiches Mittel, das ich immer wieder empfehle, ist, mit positiven Affirmationen das Unterbewusstsein neu zu programmieren und neue positive Glaubenssätze zu schaffen. Die Wirkung auf dein Unterbewusstsein ist dabei beim Einschlafen oder während einer Meditation am höchsten. Du kannst die Affirmationen während der Meditation als Mantra zu dir selbst sprechen. Das können Sätze sein wie: «Ich vergebe mir» oder «Ich habe jederzeit das Beste getan, was mir möglich war» und so weiter. Sei kreativ und gestalte Deine Mantras. Du kannst diese Sätze auch aufnehmen und Dir beim Einschlafen anhören. Du findest auch auf YouTube zahlreiche solche Affirmations-Videos. Du kannst auch über verschiedene Anbieter im Internet das Audio aus dem YouTube Video extrahieren und es zum Beispiel einer Playlist auf Deinem Mobilgerät hinzufügen.

Programmiere Dein Unterbewusstsein

Sich selbst vergeben zu können ist ein enorm wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung und auch die Grundvoraussetzung dafür, dass Du anderen Menschen vergeben kannst. Dazu erfährst Du noch mehr in einem der nächsten Beiträge. In meinen Coachings begleite ich Klienten in ihren ganz individuellen Themen zu mehr Lebensqualität, Gelassenheit und Selbstzufriedenheit sowie bei Standortbestimmungen im Job und um Orientierung im Leben zu finden. Wenn Dich ein Thema beschäftigt und Du dabei Unterstützung brauchst, dann nimm mit mir Kontakt auf. Ich freue mich darauf, Dich ein Stück auf Deinem Weg zu begleiten.


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